Prognosen der WHO für Diabetes mellitus zeigen, dass sich die Prävalenz des diabetischen Fußes zwischen den Jahren 2000 und 2030 verdoppeln wird und damit auch seine Therapie weiter an Bedeutung gewinnen wird. Heute zählen diabetische Fußulzera weltweit zu den häufigsten Ursachen für Amputationen. Fast 15% aller Diabetiker entwickeln im Laufe ihrer Erkrankung ein Fußulkus. Davon enden noch immer 10-15% in einer Amputation.
Was ist ein neuropathisches Ulkus?
Die Polyneuropathie wird neben Diabetes mellitus am häufigsten durch Alkoholismus, aber auch durch eine Angiopathie verursacht. Auch neurologische Störungen (Wirbelsäulen- und Nervenverletzungen, angeborene neurologische Störungen) und andere Stoffwechselstörungen können Auslöser sein. Die Neuropathie beginnt mit einer Schädigung der autonomen Anteile der Nerven und tritt distal symmetrisch auf. Die Neuropathie führt über eine Reduktion der Schweißproduktion zu einer Austrocknung der Haut, während die Durchblutung durch Wegfall der arteriotonisierenden Wirkung des Sympathikus zunimmt („Autosympathektomie“). Diese Hypervaskularisation verursacht im Bereich der mechanisch belasteten Hautpartien, speziell der Fußsohle Hyperkeratosen und im Bereich der Knochen Demineralisation. Die Schwächung des Fußskeletts durch die Demineralisation führt über Impressionen von Gelenkflächen zu abnormer Beweglichkeit und dem Einbruch des Fußgewölbes. Durch das aufgehobene Schmerzempfinden des Patienten geschieht dies oft unbemerkt. Erste Symptome sind oft Blasen an den Zehen, verursacht durch die Längenzunahme des Fußes. Durch die Fehlstellung des Fußskelettes ist das Gewebe beim Gehen während der Abrollbewegung immensem Druck ausgesetzt. Über diesen Druckzonen kommt es zur Ausbildung einer Hyperkeratose („Clavus“), deren Spitze kegelförmig in die Subkutis ragt. Dadurch wird der lokale Druck zusätzlich beträchtlich erhöht und führt zu trophischen Störungen mit zentraler Ulzeration („mal perforant du pied“). Diese schmerzlosen Ulzerationen treten bei unpassendem Schuhwerk („Druck von Außen“) oder im Bereich eines vorspringenden Fußskeletts („Druck von Innen“) auf.
„Jeder Patient der trotz eines plantaren Ulkus nicht hinkt und bei der Abtragung der Hyperkeratosen lächelt, hat eine Neuropathie“ (A. Obermayer)
Der Charcot-Fuß ist eine spontane nichtinfektiöse Zerstörung einzelner oder multipler Knochen- und Gelenkstrukturen, wobei meist die Fußgelenke, besonders im Bereich des Mittelfußes betroffen sind. Bei rund einem Drittel aller Diabetiker mit Polyneuropathie (PNP) tritt in Folge der Osteopenie ein Charcot-Fuß auf. Durch das meist herabgesetzte Schmerzempfinden (Analgesie), wird der Durchbruch des Fußgewölbes spät bemerkt. Belastet der Patient in diesem Stadium den Fuß, ulzeriert dieser schnell unter dem Gewicht des Körpers. Gerade weil der Patient weder bei der Fehlbelastung der Fußes noch bei oft schon tiefen Ulzerationen Schmerz empfindet, kann sich die Situation unbemerkt dramatisch verschlechtern und eine Amputation unvermeidbar machen.
Druckentlastung – aber wie?
Ziel der Therapie ist die Abheilung durch rigorose Druckentlastung, und somit die Reduktion der Amputationsrate. Dies kann nur durch die Reduktion von Druckspitzen erreicht werden.
In der Praxis empfiehlt es sich, ein besonderes Augenmerk auf das Schuhwerk des Patienten zu legen. Dazu ist es wichtig, dass der Patient die am häufigsten getragenen Schuhe in die Ordination mitbringt um sie auf ihre Größe und auf Druckstellen verursachende Kanten und Vorwölbungen hin zu überprüfen.
Zur Druckentlastung stehen verschiedenste Methoden zur Verfügung. Alleine das Entfernen der Hyperkeratosen führt zu einer deutlichen Druckreduktion. Konservative Entlastungsmethoden reichen von Bettruhe, Rollstuhl und Krücken über Einlagen, orthopädisches Schuhwerk, Orthesen bis hin zum Total Contact Cast (TCC).
Der TCC: Goldstandard zur Druckentlastung
Der TCC ist ein gut anmodellierter Vollkontakt-Unterschenkelgips unter Einschluss der Zehen (Weiß- oder Kunststoffgips) zur Druckentlastung bei der Behandlung nichtinfektiöser, nichtischämischer plantarer Fußulzera. Beim TCC erfolgt eine Umverteilung der Belastung auf der Fußsohle sowie die Ruhigstellung des Fußes während entzündlicher und destruktiver Phasen (Charcot-Fuß), Ödemreduktion und dadurch Schutz der Wunde vor Infektionen. So wird eine Umgebung geschaffen, die die Heilung begünstigt, während der Patient weiterhin sein Bein voll belasten darf. Die Granulation und Epithelisation kann einsetzen, da die störenden Kräfte ausgeschaltet werden und die Compliance des Patienten wird passiv verstärkt, da der TCC nicht abnehmbar ist.
Invasive Therapieoptionen sind das Abtragen von Exostosen, die fußchirurgische Korrektur von Zehenfehlstellungen und letztlich die aufwändige Rekonstruktion eines eingebrochenen Fußgewölbes mit Korrektur der Belastungsachse.
Nach erfolgreicher Behandlung neuropathischer Ulzera gilt der Erhaltungsphase großes Augenmerk. Professionelle Haut- und Fußpflege, das Tragen von Einlagen und orthopädischen Schuhen sowie ein striktes Verbot des Barfußgehens bei eingebrochenem Fußgewölbe helfen präventiv.